Die Jägerprüfung von Franz-Josef Strauß und anderen Prominenten

Bayrischer Komödienstadl in Niedersachsen

Ein gestandenes Mannsbild, ein polternder populistischer bayrischer Vollblutpolitiker wie Franz-Josef Strauß (1915 – 1988) ist selbstverständlich auch Jäger gewesen. Aber wieso legte er 1963 die Jägerprüfung nicht in seiner Heimat, sondern in einem niedersächsischen Kaff bei Gifhorn ab?

Nach der damals geltenden niedersächsischen Jägerprüfungsordnung musste die Prüfung dort abgelegt werden, wo der Prüfling seinen Hauptwohnsitz hat.

„Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, daß Jagdscheininteressenten sich an fernem Ort noch einmal prüfen lassen, wenn sie zuvor zu Hause durchgefallen sind, oder sich gar von vornherein an einen Kreisjägermeister wenden, mit dem sie auf vertrautem Fuße stehen.“ (Spiegel 30/1964, S. 50f)

Bei Strauß' Prüfung wurde noch gegen eine ganze Reihe von weiteren Vorschriften verstoßen: Statt der vorgeschriebenen fünf Prüfer gab es nur drei. Einer davon war der Bauer Gustav Bosse, 75, der Kreisjägermeister von Gifhorn, ein anderer der VW-Angestellte August Bode aus Wolfsburg. Es wurde kein Verlaufsprotokoll angefertigt. Es fehlten Hinweise auf die Leistungen des Kandidaten in den einzelnen, vorgeschriebenen Prüfungsfächern. Strauß wurde nur mündlich, nicht auch schriftlich geprüft. Das zuständige niedersächsische Landwirtschaftsministerium stellte deshalb Nachforschungen an, erhielt aber keine Antworten.

„Bauer Bosse aber, der es genau wissen müßte, blieb auch Amtspersonen gegenüber wortkarg. Er sagte: 'Da kann ich nicht drüber sprechen', begab sich mit 'schweren Verdauungsstörungen' in ein Krankenhaus und stellte sein Jägeramt zur Verfügung.“ (Spiegel 30/1964, ebd.)

In der bundesdeutschen Öffentlichkeit gab es Gelächter. Gegenüber der Zeitschrift „Neue Illustrierte“ rechtfertigte Strauß sich so:

„Es gibt zwei Bundesminister, die nicht aus Niedersachsen stammen, die lange vor mir ihren Jagdschein in Niedersachsen gemacht haben. Die haben noch zur Umgehung des Gesetzes ihren Wohnsitz in Niedersachsen bezogen … Das ist allen Redaktionen bekannt. Darüber schreibt kein Mensch.“ (zitiert nach Spiegel 37/1964, S. 50f)

Dem Interviewer von der Neuen Illustrierten war das allerdings nicht bekannt. Kurz vor dem Druck versuchte Strauß, die Passage aus dem Interview streichen zu lassen.

„Daß Strauß die Bemerkung über die beiden Bundesminister wieder 'raushaben' wollte, mochte guten Grund haben: Es handelt sich um CSU-Parteifreunde - den Bundesinnenminister Hermann Höcherl und den Bundespostminister Richard Stücklen.
Genau wie Strauß im Spätherbst 1963, waren Höcherl und Stücklen in Spätsommer 1960 im Gasthaus Neuhaus ('Fremdenzimmer, Schießstand, Clubräume') an der Bundesstraße 188 zwischen Gifhorn und Wolfsburg jagdlich examiniert worden. Vorsitzender der dreiköpfigen Prüfungskommission war jedesmal - auch bei der Strauß-Prüfung - der Kreisjägermeister Gustav Bosse, der inzwischen allerdings 'das alles vergessen' hat.“ (Spiegel 37/1964, ebd.)

1960 allerdings genügte es, für die Jägerprüfung einen Zweitwohnsitz in Niedersachsen zu haben.

„So kam es, daß Hermann Höcherl als 'Amtsgerichtsrat a.D.' am 29. August 1960 und Richard Stücklen als 'Ingenieur' zwei Tage später in Wolfsburg ihren zweiten Wohnsitz anmeldeten. Als Adresse gaben sie auf dem Meldeformular an: Wolfsburg, Unter den Eichen 48-50. Das ist die Anschrift eines der Gästehäuser, die das Wolfsburger Volkswagenwerk unterhält.
Die vermittelnde Tätigkeit des Regensburger Volkswagenhändlers Hartl, der sich rühmt, Hermann Höcherl gut zu kennen, hatte dazu beigetragen, daß die beiden bayrischen Politiker nach Niedersachsen kamen. Und Mitglied der Prüfungskommission des alten Kreisjägermeisters Bosse war auch damals schon der VW-Angestellte August Bode, der Hegeringleiter in Wolfsburg ist und auch die Jagden seines Generaldirektors betreut.“ (Spiegel 37/1964, ebd.)

Das kann jede Köchin!

Der Neuen Illustrierten sagte Strauß noch:

„Ich habe die Bestimmungen nicht umgangen, sondern ich habe in Bayern mitgeteilt, daß ich die Jagdprüfung in einem anderen Lande machen kann. […] Alles andere ist doch Krampf. Daß ich zu dumm bin, die Jagdprüfung abzulegen, wo sie jede Köchin heute macht.“ (zitiert nach Spiegel 37/1964, ebd.)

… und auch Christian Lindner von der FDP

Sprung ins 21. Jahrhundert: 2018 bestand Christian Lindner die Jägerprüfung an der privaten Jagdschule Gut Grambow in Meck-Pomm im Alter von 39 Jahren — das ist für deutsche Jäger ein geradezu jugendliches Alter. Auch deshalb war die Jägerpresse begeistert und berichtete ausführlich und wohlwollend.

Die sog. seriöse Presse hatte dagegen nur dumme Fragen zu stellen:

„Wie ein vielbeschäftigter Politiker das schaffen kann? […] Wegen seiner beruflichen Belastung habe Lindner die Prüfung vorher mehrfach verschieben müssen.“ (Frankfurter Allg. Zeitung, 22.6.2018)

Normalerweise belegt man an dieser Jagdschule einen dreiwöchigen sog. Kompaktkurs. „Drei Wochen auf Gut Grambow kosten 2880 Euro, für Führungskräfte wird ein Zwei-Wochen-Schnelldurchlauf für 6000 Euro angeboten, Unterkunft und Verpflegung gehen extra“, schrieb der Spiegel im Heft 36/2014. Christian buchte dagegen 15 mal Einzelunterricht „und übte für die fünf Prüfungsfächer in freien Minuten am Smartphone.“ (FAZ, ebd.) Die Internet-Seite natuerlich-jagd.de weiß es noch genauer: Christian paukte sogar in seinem Auto mit dem Smartphone, aber – aufgepasst! – nur auf der Rückbank (www.natuerlich-jagd.de/news/christian-lindner-will-endlich-den-jagdschein-machen.html, 28.02.2018).

Dafür bewarf Peter Dausend im ZEIT-Magazin den fleißigen Christian mit Dreck:

„Mit den angehenden Jägern und Mecklenburg-Vorpommern verhält es sich heute so, wie es sich früher mit den angehenden Abiturienten und Hessen verhalten hat: Wenn Gymnasiasten in südlichen Bundesländern mit der Schule nicht so klarkamen, wie ihre Eltern sich das vorstellten, wurden sie nach Hessen ins Internat verfrachtet, weil Mathematik und andere fiese Fächer dort einfacher waren. Und so ähnlich ist es auch mit dem Jagdschein und Mecklenburg-Vorpommern.“ (ZEITmagazin Nr. 28/2018)

Nun hat er es bis zum Bundesminister der Finanzen gebracht. Der begeisterte Porschefahrer hat immer noch Zeit, die üblichen Kalauer der Jägerideologie aufzusagen: Jagd ist Naturschutz usw., aber: „Es sind ja in den vergangenen Jahren viele, viele Flächen vom Staat an Naturschutzorganisationen verschenkt worden, die dann da gar nichts machen. Diese Wälder sehen nicht gut aus! Sukzession ist keine Lösung.“ Die Natur der Natur überlassen, das geht gar nicht! (pirsch.de, 11.10.2019)

P. S.: An der Jagdschule Gut Grambow bestand 2019 auch der geschasste Verfassungsschutz-Präsident Maaßen die Jägerprüfung.


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http://eti-veth.de/jaeger_strauss.htm
2024-02-02